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Dummschwätzer

BrillentraegerDie TEGIDA-Demo war mehr eine Stehparty unter freiem Himmel. Das Wetter war trocken, die Stimmung war gelöst, und eigentlich hatte ich gute Laune, als ich in den Bus nach Hause stieg. Bis ich diesen Dummschwätzer hinter mir bemerkte. Zuerst hörte ich nicht ganz so genau, was er da von sich gab, aber sein enthusiastisches Staccato ließ in mir eine Alarmglocke losgehen, und ich lauschte unwillkürlich hin: Rundumschlag! Von Gewalt an Schulen (sind angeblich immer die Ausländer) über abgestochene Briefträger (passiert bekanntlich ständig) bis hin zu Car-Jacking (kommt dauernd vor, und die sind immer aus dem Osten). Krönung des ganzen waren die Flüchtlingsschiffe, die „angeblich immer Motorschaden haben“. Mein Magen krampfte sich zu einer Faust zusammen. Er plapperte und plapperte, in einem unglaublichen Tempo, grinste dazu breit, und seine drei oder vier Zuhörer nickten und bestätigten ihm eifrig. Ich sah mich im Bus etwas genauer um. Gefühlte 80% der Anwesenden hatten Gesichter, denen man ihre nicht-deutsche Herkunft deutlich ansah: Inder, Asiaten, Türken, ein paar Polen oder Russen mögen auch dabei gewesen sein. Keinem von ihnen hätte ich nachsagen wollen, er sei kriminell, in irgendeiner Weise gefährlich oder auch nur unangenehm. Furchtbar war mir nur die Anwesenheit dieses unheilvollen Grüppchens von Deutschen, die sich von all diesen Fremden bedroht fühlten. Mir wurde schlecht, sehr schlecht. Sie nehmen langsam überhand, diese xenophoben Hohlköpfe.


 

TEGIDA: Tolerante EuropäerInnen gegen die Idiotisierung des Abendlandes.

Kreuz, Blut und Schmerz

Witz, alt: Der Papst reist nach New York. Bei seiner Ankunft am Flughafen bestürmen ihn sofort die Journalisten. Ein besonders eifriger Vertreter dieser Zunft schiebt dem Papst ein Mikrophon ins Gesicht und fragt: „Heiliger Vater, was denken Sie über das New Yorker Nachtleben?“ Der Papst, sichtlich um Haltung bemüht, lächelt gequält und fragt in diplomatischem Ton zurück: „Hat New York ein Nachtleben?“ Am nächsten Tag erscheinen Schlagzeilen in der amerikanischen Presse: Papst in New York gelandet. Seine erste Frage bei der Ankunft: „Hat New York ein Nachtleben?“

Deutschland, aktuell: Eine türkischstämmige Politikerin wird interviewt. Unter anderem wird ihr die Frage gestellt, was sie von Kopftüchern in Klassenräumen hielte. Sie lehnt diese ab, und führt aus, dass eine Schule ein neutraler Ort sein solle. Der Interviewer fragt nach, ob sie Kruzifixe gleichfalls ablehne. „Ja“, antwortet sie, „Christliche Symbole gehören nicht an staatliche Schulen. Für Schulen in kirchlicher Trägerschaft gilt das nicht.“ Mit dieser Aussage gibt sie wieder, was Stand der Rechtsprechung ist. Sie tritt nicht von sich aus an die Öffentlichkeit, um zu diesem Thema eine Forderung zu stellen. Sie beantwortet nur eine Frage.

Was folgt, ist ein Shitstorm der üblichen Machart, der den deutschen Blätterwald besprenkelt und gleichzeitig vorzüglich düngt: Empörung wird inszeniert und zelebriert, die Werte des Abendlandes mit werden mit theatralisch überhöhter Leidenschaft verteidigt. Als die Dame sich daraufhin genötigt sieht, das Gesagte zu relativieren, tritt die Journaille noch mal kräftig nach, und überschriftet: „Jetzt kriecht sie zu Kreuze“.  Im Artikel wird die Bildsprache weitergeführt und bis ins Perverse gesteigert: „Sie hat sich eine blutige Nase geholt, wurde von Parteikollegen zur Räson gerufen und ist zum Schluss zu Kreuze gekrochen …“

Welch ein Bild: Eine Muslima, die zu frech geworden, hat man blutig zusammengeschlagen, bis sie schließlich auf dem Boden kriechend unter dem Kreuz um Vergebung bettelte. Man könnte fast auf den Gedanken kommen, dass manche Autoren solcher Beschreibungen eine gewisse dunkle Lust an Geschichten von Blut, Schmerz und Tränen empfinden, dass für sie die Feder ein mächtigeres Züchtigungsinstrument sei als die Peitsche, dass jeder Anschlag auf der Tastatur einem klatschenden Hieb auf den entblößten Rücken ihrer Opfer gleichkäme. Aber da geht bestimmt nur meine Phantasie mit mir durch. Genau wie bei dem Gedanken, dass manche Redakteure bei der Arbeit ein sehr knappes, eng sitzendes Lederoutfit samt zugehöriger Henkersmaske tragen.

Focus: Aygül Özkan: Niedersachsens neue Sozialministerin gegen Kruzifixe

Focus: Niedersachen: CDU nordet Özkan ein

Focus: CDU: Kruzifixe bleiben hängen – Missverständliche Aussagen von Aygül Özkan ausgeräumt

Hamburger Morgenpost: Jetzt kriecht sie zu Kreuze

Bildblog: Der Kreuz-Zug ist abgefahren

Pirat innen und außen

piratdings Ich bin kein Pirat¹, und trotz völliger Ãœbereinstimmung mit den Hauptthemen der Piratenpartei werde ich die Piraten nicht wählen. (Recht auf Privatkopie, gegen einen Ãœberwachungsstaat, keine Patentierung von Lebewesen, um mal ein paar davon zu nennen. Inhaltlich stimme ich mit denen weitgehend überein.) Der Grund für meine Entscheidung ist nicht die niedrige Frauenquote bei den Piraten. Der Grund für meine Entscheidung ist nicht, dass es keine „Piratinnen“ gibt, oder dass Gender-Themen bei den Piraten „nicht stattfinden“. Die Gründe, warum ich nicht die Piraten wähle, sollen auch nicht Thema dieses Blogeintrags sein. Mich beschäftigt momentan etwas ganz anderes: Ein paar Feministinnen inszenieren gerade ein bühnenreifes Piraten-Bashing. Das geht nicht nur einigen weiblichen Piraten, sondern auch mir ganz heftig auf den Keks, und darüber schreibe ich nun. Inspiriert hat mich ein Artikel von Mela Eckenfels, den ich klasse finde, denn ich finde mich in vielem, was sie formuliert hat, wieder.

In erster Linie fühle ich mich als ein Mensch, der nebenbei zufällig weiblich ist – na und? Es gibt auch Menschen mit blauen oder braunen Augen, macht das was? Es gibt glattes oder gelocktes Haar, macht das was? Mich stört es extrem, wenn ich „als Frau“ angesprochen werde. Die Frage ist doch allenfalls dann interessant, wenn es um das Vorhandensein sanitärer Anlagen geht.

Feministinnen nerven mich mit ihren „Frauenthemen“, oder besser gesagt, mit dem, was sie für „Frauenthemen“ halten. Ich lasse mir nicht von irgendwelchen Salon-Emanzen vorschreiben, was mich zu interessieren hat, worüber ich mich empören müsse, und durch was ich mich „als Frau“ benachteiligt fühlen soll.

„Männliche Feministen“ nerven mich mit ihrer zur Schau getragenen „Demut vor den Frauen“ und der „Erwartung, was von dieser Seite noch kommt“. Ich bin ICH, und bin nicht dazu da, irgendeine Sippe, Rasse, Nation, Geschlechtergruppe oder sonstwas zu repräsentieren. Wer mich für meine Leistungen und Fähigkeiten loben will, soll mich loben, und nicht den Umstand, dass dieses oder jenes „von einer Frau“ geleistet worden sei. Was soll denn das heißen? „Nicht schlecht – für’n Mädchen„?

Männergruppen buttern mich nicht unter, sondern ich fühle mich dort wohl. Es gibt keinen Zickenkrieg dort, sondern man kann gemütlich miteinander fachsimpeln. Und wenn danach in später Nacht der Stammtisch vorüber ist, gehe ich entspannt nach Hause, dann gehören die Nacht und die Straße ganz selbstverständlich mir. Mir macht es nichts, allein zu einer Veranstaltung zu gehen, oder eine halbe Stunde früher oder später heimzufahren als mein Mann. Wer mich von einem nächtlichen Spaziergang durch einen Park abhalten wollte, der müsste mir auf dem Weg dorthin eine Leiche über den Zaun hängen.

Ich will weder stellvertretend für andere etwas „verwirklichen“, noch habe ich es nötig, „mich“ oder „etwas“ zu beweisen. Ob mein Leben was taugt, das entscheide ich allein. Ob ich meine Äußerungen banal und albern sein dürfen oder politisch und anspruchsvoll zu sein haben hat mir genau so wenig jemand vorzuschreiben wie die Antwort auf die Frage, ob ich mich schminke oder nicht, ob ich Stöckelschuhe oder Sandalen trage, ob ich stricke oder programmiere, ob ich Kleidchen anziehe oder Jeans, und ob ich den Anblick von Kerzenlicht zu bevorzugen habe oder das Gefühl von heißem Wachs auf meiner Haut lieben darf. Meine Ansprüche, Neigungen und Abneigungen hat niemand zu bewerten, erst recht keine „Emanze“, was immer das sei.

Wenn ich für Rechte eintrete, dann für Menschenrechte, nicht für Frauenrechte.

Ich möchte selbstverständliche Gleichberechtigung statt Feminismus. Ich will als Mensch geachtet werden, nicht als Frau.