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Die angebliche Weisheit des Nicht-besitzen-Wollens

Ich lese gerade das Buch „Shaolin – Du musst nicht kĂ€mpfen, um zu siegen“. Nachdem ich darin ĂŒber die Entschlossenheit gelesen habe, bin ich nun beim Abschnitt „Nicht besitzen wollen“ angekommen. Der beginnt mit einer „Weiser-Mann-Geschichte“, ĂŒber die ich wirklich herzlich lachen musste: Ein angeblich weiser Mönch setzt sich ausgerechnet mitten auf eine Straße, die von Reitern benutzt wird, um genau dort zu meditieren. Als dann, voraussehbar, ein Reiter kommt, ist dieser so arrogant, dass er dem Mönch nicht etwa ausweicht (ja, wie schmal ist diese Straße denn?), sondern sich in Positur wirft und gebieterisch Durchlass verlangt. Er droht dem Mönch, er könne ihn, ohne mit der Wimper zu zucken, töten, wenn dieser ihm nicht Platz mache. Und der angeblich weise Mönch, dem man „nichts nehmen kann“, teilt diesem Reiter mit, dass er dann eben sterben wĂŒrde, ohne mit der Wimper zu zucken. Die eine Lesart ist, dass man den Mönch mit einer Morddrohung nicht erpressen kann, da er an seinem Leben nicht hĂ€ngt. Eine andere, meiner Meinung nach logischere, Interpretation ist, dass der Mönch eher bereit ist, sich erschlagen zu lassen, als seinen Hintern zu erheben und beiseite zu treten.

Zwei dickköpfige Deppen treffen aufeinander: Ein General, der sich seine AutoritĂ€t und das Anrecht auf freien Durchlass nicht nehmen lassen will, und ein Mönch, der sich seine wĂŒrdevolle Positur („Hier meditiere ich, auf offener Straße, fĂŒr alle sichtbar, Ha!“) und einen halben Quadratmeter Straßenpflaster nicht nehmen lassen will. Und weil der Mönch so dĂ€mlich ist, sich dafĂŒr auch noch umbringen lassen zu wollen, sowie weil er ein Mönch ist, ist er in dieser Geschichte der „Weise“.

In Wirklichkeit ist das, was der Mönch tut, Nötigung. Und es ist emotionale Erpressung. Auch der General handelt nicht klug. Mit seiner ultimativen Drohung hat er gleich zu Anfang der Auseinandersetzung sein Pulver verschossen. Um jetzt sein Gesicht zu wahren, muss er zum Mörder werden. Was ihm, als ranghohem militĂ€rischem FĂŒhrer, vermutlich nicht einmal schwer fallen wird, wenn man sich das ganz genau ĂŒberlegt.

Wenn der General wirklich konsequent die Rolle erfĂŒllt, die die Gesellschaft von ihm erwartet, hat der Mönch verloren. Der General wird mit dem selben Gleichmut, mit dem der Mönch mit seinem Hintern auf der Straße sitzen bleibt, das Schwert ziehen, und den alten Narren ins Jenseits befördern. Und auf Vorhaltungen, dass er nur wegen des Wegerechts einen wehrlosen Mönch ermordet hat, wird er mit Fug und Recht antworten können: „Er hat es nicht anders gewollt, und sein Leben war ihm gleichgĂŒltig. Ihr habt es ja gehört. Wer hat mir etwas vorzuwerfen, wenn der alte Mönch doch selbst gesagt hat, dass ich ihm ruhig sein Leben nehmen kann?“

Trotzdem wird man den General nun als einen grausamen Menschen betrachten. Aber eben auch als einen konsequenten Menschen. Seinem Ansehen als militĂ€rischer FĂŒhrer wird es in gewissen Kreisen möglicherweise nicht schaden, sondern nĂŒtzen, denn Weichheit und Halbherzigkeit sind mit seiner Position nicht vereinbar.

Sowohl der General als auch der Mönch haben in dieser Geschichte ihre Unvernunft bewiesen. Zwei Dickköpfe, die beide in einem Machtkampf nicht nachgeben wollten, und die sich sehenden Auges in eine Situation begeben haben, in der es am Ende nur Verlierer geben konnte. Auch fĂŒr Entschlossenheit wirbt die Geschichte nicht, denn beide Kontrahenten sind entschlossen, sich dumm zu verhalten, komme, was da wolle.

Warum sollte man den Mönch als weise bezeichnen? Weil er ein Mönch ist? Weil er meditiert? Weil er vorgibt, nichts zu verlieren zu haben? Er hĂ€tte genau so gut, ohne mit der Wimper zu zucken, aufstehen können. Es sei denn, es wĂ€re um etwas ganz anderes gegangen. HĂ€tte er beispielsweise nicht nur den General, sondern gleich einen ganzen Tross aufhalten wollen, um diesen daran zu hindern, in den Krieg zu ziehen und Menschen abzuschlachten, dann hĂ€tte man mit gutem Willen einen Sinn in seine Handlungsweise hinein interpretieren können. Er hĂ€tte sich dann geopfert, um viele Morde zu verhindern oder zumindest zu verzögern. Dann hĂ€tte der Dialog aber ein anderer sein sollen. Der Mönch hĂ€tte in diesem Fall dem General ins Gewissen reden und ihm eine andere Handlungsweise vorschlagen mĂŒssen. Darum ging es aber in dieser Geschichte nicht.

Es ging in der Geschichte um die kurzzeitige Hoheit ĂŒber einen halben Quadratmeter Straßenpflaster, und um die Frage, wer wie konsequent bereit ist, seine Drohung umzusetzen: Wird der General wirklich bereitwillig töten, oder reitet er letztendlich knurrend um das Hindernis herum? Wird der Mönch wirklich bereitwillig sterben, oder ergreift er nicht doch im letzten Augenblick die Flucht? Und warum handeln die Beteiligten ĂŒberhaupt so: Aus Eitelkeit? Vor sich selbst? Vor anderen? Wie weise soll das sein?

Was also sollen solche Geschichten vom angeblich so edlen „Nicht-besitzen-Wollen“, und in welchem Kontext sollte man sie sehen? „KĂ€mpfe nicht, gib alles auf, und wenn es nichts mehr fĂŒr dich gibt, um das es sich zu kĂ€mpfen lohnt, dann bist du wahrhaft frei!“ – So kann man Menschen auch klein halten. Indem man ihnen vormacht, dass Duldsamkeit und Demut sie zu den wahren Siegern macht. Man lehrt sie, heiter und gelassen hinzunehmen, dass man sie beraubt und unterdrĂŒckt, statt zur Mistforke zu greifen und die Tyrannen aus ihren PalĂ€sten zu jagen. Wie elegant! Die katholische Kirche musste zu diesem Zweck die Angst vor Hölle und Fegefeuer bemĂŒhen. Und beide Religionen, sowohl der Buddhismus als auch das Christentum, waren sich nie zu schade darum, die absurdesten und zum Teil unlogischsten Geschichten zu ersinnen, um ihre Ideologie damit zu unterfĂŒttern.

Nicht-besitzen-Wollen steht außerdem im direkten Widerspruch zu „Entschlossenheit und Konsequenz“. Wenn es nichts fĂŒr mich gibt, um das es sich zu kĂ€mpfen lohnt, warum sollte ich dann entschlossen und konsequent sein? Dann kann ich auch mit Gleichmut meinem Untergang entgegensehen. Einen Gegner freut das, weil er weniger MĂŒhe hat, und ich lerne, heiter und gelassen im Nichts aufzugehen, auf dass ich mit der All-Seele friedlich vereint werde. Win-win? Wohl doch eher nicht.

„Mit Niederlagen leben lernen“ ist etwas anderes, als die Fabel vom Fuchs und den sauren Trauben zum Standard zu erheben.

Der Abschnitt ist absurd und unglaubwĂŒrdig. Nur weil etwas als fernöstliche Weisheit vermarktet wird, ist es noch lange nicht weise.

Krimi zum FrĂŒhstĂŒck

POW!

In meinem bevorzugten FrĂŒhstĂŒckslokal gibt es vorn rechts einen kleinen Selbstbedienungsbereich. Wer dort etwas bestellt, muss aufstehen und drei Schritte zum Tresen gehen, um sich Essen und GetrĂ€nke abzuholen. Ein Schild weist auf den Umstand hin.

In eben diesen Bereich setzte sich heute morgen ein lautstark telefonierender Herr Wichtig. „Alles ist zu!“, brĂŒllte er in sein Smartphone, „Ich hab so einen Hunger, und alles ist zu! Das ist wirklich unglaublich! Alle meine LĂ€den sind zu!“

Nun kann ich wirklich nicht beurteilen, ob jener Herr Wichtig tatsĂ€chlich Besitzer oder wenigstens Leiter mehrerer BĂ€ckereien oder GaststĂ€tten ist, oder ob er einfach nur erbost war, dass die von ihm bevorzugt frequentierten LokalitĂ€ten Montags morgens um acht nicht geöffnet hatten, aber eigentlich geht mich das auch nichts an. Dennoch konnte ich nicht umhin, davon Notiz zu nehmen, trotz etlicher Meter Distanz zwischen mir und diesem Herrn. Sein GebrĂŒll ließ das nicht zu.

WĂ€hrenddessen wurde ihm vom Barmann sein bestelltes Bier zum Tresen gebracht, mit dem Hinweis, er möge es sich dort bitte abholen. Der telefonierende Herr Wichtig lehnte das brĂŒsk ab, und beklagte sich lautstark bei seinem TelefongesprĂ€chspartner ĂŒber dieses unbotmĂ€ĂŸige Ansinnen. Ganz genau kann ich den weiteren Verlauf des GesprĂ€chs nicht mehr rekonstruieren, aber ich meine, der Barmann verwies den unfreundlichen Gast daraufhin des Lokals. Ob dann Herr Wichtig oder der Barmann das GesprĂ€ch auf die Polizei brachte, habe ich nicht so genau mitbekommen, da ich von Herrn Wichtig jedes Wort hörte, vom leisen Barmann jedoch kaum etwas. Deutlich vernehmbar war allerdings die Bemerkung des Herrn Wichtig, er lasse sich von „so einem Gartenzwerg“ „so etwas“ nicht sagen, worauf er aufstand, und einen glĂ€sernen Zuckerstreuer im hohen Bogen ĂŒber den Tresen warf, der laut klirrend vor den FĂŒĂŸen des Barmanns auf dem Boden aufschlug.

Dann kam Bewegung in die Sache. Herr Wichtig stĂŒrzte, das Smartphone noch immer in der Hand, aus dem Lokal, der Barmann rannte hinterdrein, und ich meinte, von draußen einen Hieb zu hören. Wer da jetzt wem eine Schelle erteilt hat, kann ich allerdings beim besten Willen nicht sagen. Dann kehrte der Barmann kurz zurĂŒck, wĂ€hrend der Koch, der durch die Durchreiche wohl einiges mit angehört hatte, in den Gastraum geeilt kam. Kurz darauf spurteten beide zusammen dem „wichtigen“ Gast nach.

Ich habe noch in Ruhe zu Ende gefrĂŒhstĂŒckt, und hinterher dem Barmann angeboten, dass er, falls Herr Wichtig ihn anzeigen sollte, auf meine Aussage zurĂŒckgreifen darf. Immerhin bin ich Stammgast in dem Laden, und werde dort stets sehr freundlich bedient. Und auf Tischnachbarn wie Herrn Wichtig kann ich verzichten. Um das mal diplomatisch auszudrĂŒcken.

Nachtrag:
Der „wichtige“ Gast soll sowohl den Barmann als auch die herbeigerufenen Sicherheitsleute angezeigt haben. Nachdem ich das erfahren habe, habe ich mich als Zeugin bei der Polizei gemeldet. Ich bin gespannt, was dabei wohl herauskommen wird.

Kinderlein …

Sie waren zu dritt. Sie beschimpften mich als Hure, Nutte, Schlampe. Sie riefen unflÀtige Beleidigungen ĂƒÂŒber meine Mutter (die sie niemals gesehen haben können, denn die ist schon lange tot). Sie bewarfen mich mit Schnee und dicken Klumpen von schwarzem Schneematsch. Als ein Àlterer Freund von ihnen dazu kam, um zu deeskalieren, taten sie erst so, als wollten sie sich entschuldigen und mir die Hand reichen, spuckten mir dann aber ins Gesicht, und beschimpften mich auch noch als „kranke Optimistin“. Wie kommen drei kleine Jungs, gewiss noch im Grundschulalter, zu solchen AusdrĂƒÂŒcken, und zu so einem Benehmen? Liebe Familien dieser drei Jungs mit Migrationshintergrund, bitte erzieht eure Kinder zu einem respektvolleren Umgang mit ihren Mitmenschen.