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Stop-Schild statt Piratenwiki

Sprachgewalt: „Bitte haben Sie dafür Verständnis, das wir dazu verpflichtet sind, einige Internetseite zum Schutze unserer Jugend zu blocken. Die von Ihnen aufgerufene Seite gehört dazu.“

Das bekommt man als erwachsener, zahlender Kunde im Internet-Café des Elektronik-Kaufhauses Saturn in den Räumen des Elektronik-Kaufhauses Saturn in der Mönckebergstraße in Hamburg zu sehen, wenn man im Piratenpartei-Wiki nachsehen will, wo man den Stammtisch unseres Landesverbands findet.

Die Quelle für die Filter-Kriterien könnte eventuell(!) JusProg sein, ein Jugendschutz-Filter-Anbieter, dessen Filterpolitik schon vor längerer Zeit auf Telepolis diskutiert wurde: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/30/30391/1.html

Ich war nicht selbst am Rechner, sondern mein Mann (Nichtpirat), der sich spontan unseren Stammtisch ansehen wollte, keinen Mobilrechner dabei hatte, und im I-Café schnell mal den Veranstaltungsort raus suchen wollte. Tja, und dann musste er mich leider doch noch anrufen.

Eigentlich wäre es angebracht, nachzuforschen, ob Webauftritte anderer Parteien von Saturn vom Betreiber des I-Cafés ebenfalls blockiert werden, und ob die Sperre nach den Unmutsbekundungen meines Mannes aufrecht erhalten wurde.  Um die Angelegenheit selbst untersuchen zu können fehlt es mir allerdings an Gelassenheit. Vermutlich würde ich bei einer Diskussion mit den dortigen Aufsichtspersonen an die Decke gehen wie ein HB-Männchen. Ich finde eine so eingesetzte Sperre in einem Internet-Café nämlich völlig unmöglich.

Erstens sollte der Betreiber zwischen Erwachsenen und Jugendlichen unterscheiden können, und auch Plätze mit verschiedenen Altersfreigaben freischalten können.

Zweitens ist die Verwendung des weithin sichtbaren Stop-Schilds meiner Ansicht nach diskriminierend. Unbeteiligte, die das mitbekommen, müssen nach den vdL-Kampagnen ja sonst was über die Betroffenen denken.

Und drittens kann ich mir nicht vorstellen, dass eine staatliche Stelle oder irgendein Anwalt Anlass sehen könnte, jemanden zu belangen, der einem Kind politische Lektüre zugänglich gemacht hat. Eher noch könnte man auf den Gedanken kommen, diverse Boulevard-Blätter nur noch unter dem Ladentisch zu verkaufen, und alle Eltern dazu zu verpflichten, ihre Zeitungen für Kinder unzugänglich zu verwahren.

Welche Kunden hat das I-Café von im Saturn als Zielgruppe? Unbegleitete 6-Jährige, die nach dem Unterricht ihr Taschengeld verzocken?

Update: Das besagte Internet-Cafe befindet sich zwar im Saturn, gehört aber offenbar nicht zu Saturn. Es werden offenbar die Seiten aller Parteien gesperrt, nicht nur die der Piratenpartei. Die Angelegenheit wird von kundigen Piraten untersucht.


„The whole principle [of censorship] is wrong. It’s like demanding that grown men live on skim milk because the baby can’t have steak.“
— Robert Heinlein, „The Man Who Sold the Moon“, p.188.

Künstlervergütung

Medienkarte

Ich träume einfach mal, und stelle mir vor, es wäre Zukunft.
In dieser Zukunft habe ich mir auf dem Heimweg eine Medienkarte gekauft. Sie besteht aus lackiertem Karton. Darauf aufgedruckt ist ein quadratisches Feld mit einem Scancode, mit dem mir die Karte an der Kasse freigeschaltet wurde. Daneben befindet sich ein silbriges Rubbelfeld, unter dem sich ein Bezahlcode verbirgt, den ich abtippen kann. Mit dieser Karte kann ich Medienpunkte im Wert von 20 Euro unter’s Volk werfen, ohne dass ich eine Kreditkarte oder irgendwelche Bankdaten dafür benötige, und ohne dass mein Name mit einer Zahlung in Beziehung gesetzt werden muss. Die Rückseite der Karte ziert ein Werbebildchen eines Sponsors und dessen URL: Eine Tageszeitung, deren E-Ausgaben ich ebenfalls mit Medienpunkten bezahlen kann. Auch für Spenden, zum Beispiel für Wikipedia oder für Unicef, kann ich meine Punkte einsetzen.

Während mein heimischer Rechner hochfährt, kratze ich die gummiartige Schicht von der Karte. Schließlich starte ich meinen Browser und rufe die Seite des Medienbezahldienstes auf. Auf meinem E-Book befindet sich nämlich seit einigen Tagen ein spannender Fantasy-Roman, den ich jetzt fast ausgelesen habe. Dafür möchte ich dem Autor nun eine Vergütung zukommen lassen. Heruntergeladen habe ich den Text nicht etwa von der Webseite seines Verlags, sondern von einer der zahlreichen Fanseiten, die so sein Buch verbreiten und nebenbei den Server ihres Lieblingsautors entlasten.
Eine elektronische Unterschrift stellt sicher, dass das Buch nicht verändert wurde. Unter der Titelzeile finde ich das Mediensiegel, gebe es in das Formular auf der Webseite des Bezahldienstes ein, und klicke auf den OK-Button. Einen Moment später erscheinen Buchtitel, Autor und Kurzbeschreibung auf meinem Monitor. Darunter die Frage: „Mit wievielen Punkten möchten Sie dies Werk vergüten?“ – Ich überlege kurz, und trage dann eine 300 ein. Das entspricht 3 Euro. Dann nehme ich meine Medienkarte, und tippe meinen Bezahlcode ein: mehrere Nonsensworte, durch Leerzeichen voneinander getrennt. Das Webformular fragt noch einmal nach, ob alles richtig sei, bestätigt dann den Zahlungseingang, und gibt mir die Restsumme meiner Karte aus. Von meiner Buchung werden 10% als Gebühr bei dem Bezahldienst bleiben. Den Rest bekommt der Autor. Ob ich bezahlt habe oder nicht wird niemand kontrollieren. Nur Zeitungen und E-Magazine verlangen eine Buchung direkt beim Download. Filme und Musikstücke werden auf die gleiche Weise bezahlt. Freiwillig. Und es funktioniert.

So, stelle ich mir vor, könnten Musiker, Künstler, Autoren und gemeinnützige Projekte in Zukunft an ihr Geld kommen. Andere Leute haben vielleicht andere Ideen.

Weitersurfen:

Piratenforum: Urheberrecht

Elektrischer Reporter: Urheber 2.0: Jeder Nutzer ein Pirat?

Tim O’Reilly: Piracy is Progressive Taxation, and Other Thoughts on the Evolution of Online Distribution

[Update:] Presseschauer: Raubkopie – Kampfbegriff der Musikindustrie

Pirat innen und außen

piratdings Ich bin kein Pirat¹, und trotz völliger Ãœbereinstimmung mit den Hauptthemen der Piratenpartei werde ich die Piraten nicht wählen. (Recht auf Privatkopie, gegen einen Ãœberwachungsstaat, keine Patentierung von Lebewesen, um mal ein paar davon zu nennen. Inhaltlich stimme ich mit denen weitgehend überein.) Der Grund für meine Entscheidung ist nicht die niedrige Frauenquote bei den Piraten. Der Grund für meine Entscheidung ist nicht, dass es keine „Piratinnen“ gibt, oder dass Gender-Themen bei den Piraten „nicht stattfinden“. Die Gründe, warum ich nicht die Piraten wähle, sollen auch nicht Thema dieses Blogeintrags sein. Mich beschäftigt momentan etwas ganz anderes: Ein paar Feministinnen inszenieren gerade ein bühnenreifes Piraten-Bashing. Das geht nicht nur einigen weiblichen Piraten, sondern auch mir ganz heftig auf den Keks, und darüber schreibe ich nun. Inspiriert hat mich ein Artikel von Mela Eckenfels, den ich klasse finde, denn ich finde mich in vielem, was sie formuliert hat, wieder.

In erster Linie fühle ich mich als ein Mensch, der nebenbei zufällig weiblich ist – na und? Es gibt auch Menschen mit blauen oder braunen Augen, macht das was? Es gibt glattes oder gelocktes Haar, macht das was? Mich stört es extrem, wenn ich „als Frau“ angesprochen werde. Die Frage ist doch allenfalls dann interessant, wenn es um das Vorhandensein sanitärer Anlagen geht.

Feministinnen nerven mich mit ihren „Frauenthemen“, oder besser gesagt, mit dem, was sie für „Frauenthemen“ halten. Ich lasse mir nicht von irgendwelchen Salon-Emanzen vorschreiben, was mich zu interessieren hat, worüber ich mich empören müsse, und durch was ich mich „als Frau“ benachteiligt fühlen soll.

„Männliche Feministen“ nerven mich mit ihrer zur Schau getragenen „Demut vor den Frauen“ und der „Erwartung, was von dieser Seite noch kommt“. Ich bin ICH, und bin nicht dazu da, irgendeine Sippe, Rasse, Nation, Geschlechtergruppe oder sonstwas zu repräsentieren. Wer mich für meine Leistungen und Fähigkeiten loben will, soll mich loben, und nicht den Umstand, dass dieses oder jenes „von einer Frau“ geleistet worden sei. Was soll denn das heißen? „Nicht schlecht – für’n Mädchen„?

Männergruppen buttern mich nicht unter, sondern ich fühle mich dort wohl. Es gibt keinen Zickenkrieg dort, sondern man kann gemütlich miteinander fachsimpeln. Und wenn danach in später Nacht der Stammtisch vorüber ist, gehe ich entspannt nach Hause, dann gehören die Nacht und die Straße ganz selbstverständlich mir. Mir macht es nichts, allein zu einer Veranstaltung zu gehen, oder eine halbe Stunde früher oder später heimzufahren als mein Mann. Wer mich von einem nächtlichen Spaziergang durch einen Park abhalten wollte, der müsste mir auf dem Weg dorthin eine Leiche über den Zaun hängen.

Ich will weder stellvertretend für andere etwas „verwirklichen“, noch habe ich es nötig, „mich“ oder „etwas“ zu beweisen. Ob mein Leben was taugt, das entscheide ich allein. Ob ich meine Äußerungen banal und albern sein dürfen oder politisch und anspruchsvoll zu sein haben hat mir genau so wenig jemand vorzuschreiben wie die Antwort auf die Frage, ob ich mich schminke oder nicht, ob ich Stöckelschuhe oder Sandalen trage, ob ich stricke oder programmiere, ob ich Kleidchen anziehe oder Jeans, und ob ich den Anblick von Kerzenlicht zu bevorzugen habe oder das Gefühl von heißem Wachs auf meiner Haut lieben darf. Meine Ansprüche, Neigungen und Abneigungen hat niemand zu bewerten, erst recht keine „Emanze“, was immer das sei.

Wenn ich für Rechte eintrete, dann für Menschenrechte, nicht für Frauenrechte.

Ich möchte selbstverständliche Gleichberechtigung statt Feminismus. Ich will als Mensch geachtet werden, nicht als Frau.