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Aufgekratzt

Dyshidrosis. Credits: CC-BY-SA 3.0  Inwe on Wikipedia.de Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Dyshidrosis.JPG
Credits: Ana Sofia Fernandes („Inwe“) on Wikipedia, http://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Dyshidrosis.JPG (CC-BY-SA 3.0)

Ich weiß grad nicht, ob ich erleichtert, verĂ€rgert, oder entsetzt sein soll. Wohl eher die letzteren beiden.

Ein paar Wochen vor meinem Sommerurlaub hatte ich aufgekratzte Arme und Beine. Hausarztvertretung und Hausarztassistent meinten: „irgendwas allergisches“.

Der Hautarzt, zu dem ich dann ging, meinte: „Scabies“. Also KrĂ€tzemilben. In meiner Haut. BĂ€h. Dass meine Schwester ganz genau so blutige Arme und Beine hatte, schrieb er sich auch auf. Dass wir ĂŒberhaupt keinen körperlichen Kontakt zueinander hatten, schrieb er sich nicht auf. Dass mein Mann keine Symptome hatte, interessierte nicht. FĂŒr ihn war klar: Blutige Pusteln und Hitzeempfindlichkeit sind klassische Symptome von KrĂ€tze.

Als ich zwei Wochen nach der Permethrin-Behandlung wieder beim Hautarzt ankam, erwischte ich nicht den forschen jungen, sondern den freundlichen alten Hautarzt in der Gemeinschaftspraxis. Der schaute sich die Haut zwischen meinen Fingern an, fand da nichts, und meinte: KrÀtze weg, nicht verunsichern lassen, ab jetzt nur noch eincremen. Gut.

Nur, dass ich das nicht ganz glauben konnte. Zwischen den Fingern hatte ich bis dahin nĂ€mlich gar nichts gehabt. Und noch immer juckte es ĂŒberall, aber zum GlĂŒck war es ja nicht mehr ganz so warm, und die Cortisoncreme half einigermaßen. Bis wir dann in den Urlaub flogen.

Schon vor dem Urlaub juckten Hand- und FußflĂ€chen ganz unglaublich. Ich dachte an Pilze, die vielleicht die angeblichen KrĂ€tze-Tunnel genutzt haben könnten (ich hatte nirgends irgendwelche Bohrtunnel gesehen), und besorgte mir vor dem Flug Clotrimazol dagegen.

Dann, auf La Gomera, war es natĂŒrlich erheblich wĂ€rmer. Alles juckte wieder höllisch, besonders nachts. „Birgit, die Viecher sind weg, weg, weg!“ sagte ich mir energisch, schnitt die FingernĂ€gel kurz und feilte sie runter bis aufs Nagelbett, rieb mich nachts mit EiswĂŒrfeln ein, und besprĂŒhte mich mit Teebaumöl, bis ich roch wie eine Wagenladung FarbverdĂŒnner.

Zuhause besorgte ich mir dann Antiscabiosum, nahm weiter Teebaumöl, und wurde doch immer wÀrmeempfindlicher. BÀh. Das *konnte* doch nicht sein. Mit Argusaugen spÀhte ich nach komma-förmigen Wölbungen mit einem dunklen Punkt an einem Ende, fand aber nur eine, die soetwas eventuell sein *könnte*, aber nicht musste, und die war an einer Stelle, die gar nicht juckte.

Meine HandflĂ€chen waren inzwischen mit winzigen, teils wassergefĂŒllten, BlĂ€schen ĂŒberzogen (Spoiler: Dyshidrotisches Ekzem), und an den FĂŒĂŸen löste sich die Hornhaut nach dem Duschen bis auf das Fleisch hinunter ab. Gruselig. Ich klebte Compeed-Pflaster drauf, und schmierte an allen verdĂ€chtigen Stellen Clotrimazol drauf. Das schien zu helfen, aber irgendwie nicht richtig.

Ich ging nochmals zum Hautarzt, und erwischte wieder den freundlichen, Ă€lteren. Der sah sich das alles an. Die braunen, narbenartigen Flecken auf dem Bauch unter den BrĂŒsten, die FĂŒĂŸe mit den Löchern in der Hornhaut, die aufgekratzten Arme, die trockenen, rauhen HĂ€nde. „Trocken-Ekzeme“, meinte er, und fragte mich nach Wasch- und Duschgewohnheiten. Duschöl soll ich nun nehmen, statt Duschgel, und cremen, cremen, cremen. Auf die roten Stellen mit Cortison, ĂŒberall sonst mit nĂ€hrenden Fettcremes. Und nicht so oft waschen.

Wie es meinem Mann denn ginge, hat er noch gefragt. Gut, sagte ich, und dass der nie Symptome gehabt habe. Aha, meinte der Arzt dazu.

Jetzt habe ich einen Verdacht: Dass ich nie KrĂ€tzemilben gehabt habe, was ja eigentlich gut wĂ€re, denn der Gedanke an die Krabbeltiere war doch sehr belastend. Aber wenn ich nie Milben hatte, sondern wenn das von vornherein Ekzeme waren, dann kann das bedeuten, dass ich diesen Mist ab jetzt fĂŒr ein paar Jahre jeden Sommer haben werde. Und das ist erschreckend.

Auch trockene Ekzeme werden durch WĂ€rme verschlechtert, und der Juckreiz wird durch WĂ€rme verstĂ€rkt. Trockene Ekzeme, in Verbindung mit Hormonschwankungen in den Wechseljahren, scheinen (laut diversen ForenbeitrĂ€gen auf allen möglichen Webseiten) nicht ungewöhnlich zu sein. Warum kam Hautarzt Nr. 1 nicht darauf, und warum war es ihm egal, dass meine Schwester das gleiche hatte, und dass wir keinerlei Körperkontakt hatten? Wie wahrscheinlich hĂ€tte es sein sollen, dass wir uns unabhĂ€ngig voneinander zur selben Zeit mit KrĂ€tze angesteckt hĂ€tten? Ich bin sauer ĂŒber diese sehr wahrscheinliche Fehldiagnose.

Ich bin sauer, weil die Behandlung mit der Permethrinsalbe im Fall einer Fehldiagnose absolut kontraproduktiv war, denn sie trocknet die Haut zusÀtzlich aus.

Ich bin sauer, dass ich aufgrund dieser Diagnose paranoid reagiert und das falsche getan habe. Mit der angeblichen KrÀtze wusch ich mich noch öfter als sonst.

Auch das Teebaumöl war nicht wirklich gut fĂŒr mich. Es kĂŒhlt zwar, und lindert dadurch den Juckreiz, aber es macht das Hautbild nicht besser, sondern schlechter. Angewandt hab ich es unter anderem, weil es desinfizierend sein soll, und fungizid, und weil es pur angeblich KrĂ€tzemilben tötet. Leider wirkt es auch sensibilisierend, so wie die meisten Ă€therischen Öle, und ich hab es mir pur auf die Haut gesprĂŒht. Das war wirklich Mist. Und wisst ihr was? Das Zeugs wurde mir in einem SprĂŒhflĂ€schchen verkauft! Nein, ich glaub nicht, dass man etwas, was wie eine Mischung aus Terpentin und Eukalyptus riecht, als Raumbedufter einsetzten sollte. Das Zeug gehört tropfenweise in Cremes oder Duschgel hineingemischt, wenn ĂŒberhaupt. Es gibt keinen vernĂŒnftigen Grund, es irgendwohin zu sprĂŒhen. Pur! Wo war mein Verstand, als ich ihn gebraucht hĂ€tte? Ja, Juckreiz macht wahnsinnig.

Wenn Ekzeme in der Familie liegen, nennt man sie ĂŒbrigens Atopische Ekzeme, oder auch Neurodermitis. Toll, was? Wikipedia meint dazu: »Das atopische Ekzem (griechisch ??????, atopĂ­a – „Ortlosigkeit“, „nicht zuzuordnen“; griechisch ??????, ekzema – „Aufgegangenes“) ist eine chronische, nicht ansteckende Hautkrankheit, die zu den atopischen Erkrankungen gehört.« – Wie schön. Das wollte ich schon immer mal ganz genau wissen.

http://de.wikipedia.org/wiki/Atopisches_Ekzem

P.S.: „Alternativ-Heiler“ und deren Fans können ihre Tipps bitte stecken lassen. Globuli und SchĂŒssler Salze sind lediglich nĂŒtzlich, um Zucker zu ĂŒbersteigerten Preisen zu verkaufen, und das einzig wirksame an homöopathischen Salben ist die Fettkomponente. Liebesperlen und Nivea tun das selbe, sind aber preiswerter.

P.P.S.: Bei nĂ€herer Überlegung deaktiviere ich die Kommentarfunktion fĂŒr diesen Artikel am besten gleich. Spart Nerven.