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O2, wir mĂŒssen reden.

Telefonhörer

Vorhin hatte ich ein TelefongesprÀch, das war nicht mehr von dieser Welt.

Es begann damit, dass ich eine 0900-Hotline anrufen wollte. „Die Rufnummernsperre ist aktiviert!“ beschied mir das Telefon. Aha. Ja, das hatten wir vermutlich damals, als die bösen Dialer ihr Unwesen trieben, machen lassen. Jetzt aber möchte ich einen Kundendienst anrufen, weil eins meiner GerĂ€te defekt ist. Na gut, das geht auch mit meinem Mobiltelefon. Trotzdem, finde ich, soll diese lĂ€stige Sperre nun weg.

Also suche ich nach dem zustĂ€ndigen Kundenportal. Das gehört inzwischen nicht mehr zu Hansenet, und auch nicht mehr zu Alice, sondern zu O2. Nach einer gefĂŒhlten Odyssee finde ich endlich das Passwort-Recovery fĂŒr den geneigten DSL-Kunden mit vergessenen Zugangsdaten. Die Website verkĂŒndet, dass sie ein temporĂ€res Passwort an die hinterlegte Mobilnummer verschickt habe. Huch! An wen bitte? Ich bin mir sicher, dass wir damals, als wir bei Hansenet Kunden waren, noch kein Mobiltelefon hatten. Aber vielleicht hat mein Mann das ja irgendwann nachregistriert. Ich rufe ihn an, und frage ihn, ob eine SMS bei ihm angekommen sei. Nein, da kam keine.

Gut, denke ich, dann rufe ich doch einfach mal bei der Hotline von O2 an, und frage nach. So etwas wird sich schließlich klĂ€ren lassen. Notfalls per Briefpost, was weiß ich. Die haben Mitarbeiter, die so etwas wissen, und die mir das erzĂ€hlen können, wenn ich es auf der Website nicht finde. Denke ich. Was dann jedoch geschieht, spottet jeder Beschreibung.

Der Telefonist, den ich am Apparat habe, arbeitet komplett skriptgesteuert, wie ein Roboter. Das ist das erste, was daneben geht. Ich spreche ihn lebendig und freundlich an, er antwortet tonlos, und betet maschinell sein Skript herunter. Kundennummer? Die habe ich natĂŒrlich nicht parat. Wer hat denn, Hand auf’s Herz, seine Telefonkundennummer zur Hand, wenn sein Telefon muckt oder er sonst etwas möchte? Ich gebe ihm also die Telefonnummer. Die ist in meinem Fall, abzĂŒglich der Vorwahl, sechstellig, und recht merkfreudig. Ich nenne sie in Form dreier zweistelliger Zahlen. Das heißt, ich will sie nennen, werde aber eisig unterbrochen: Der Telefonist will die Zahlen einzeln, nicht als zweistellige Zahlen. Und dann kommt DIE FRAGE: „Wie lautet ihr Telefonkennwort?“

Aha, denke ich, noch eine Baustelle. „Deswegen rufe ich gerade an“, antwortete ich, und werde prompt noch einmal unterbrochen. Ohne das Kennwort könne man gar nichts machen, wird mir entgegengehalten, und ich sei ja auch nicht der Vertragspartner, das sei ein Jacques Nietsch. Ja, das ist mein Ehemann! Das allerdings, wird mir entgegnet, wĂŒrde ja wohl nur ich behaupten. Das GesprĂ€ch eskaliert mehr oder weniger sofort. Als ich schließlich den Hörer auf die Gabel knalle, zittere ich vor Wut, und das Herz schlĂ€gt mir bis zum Halse.

Der Telefonist hat sich hinter einer Palisade aus „Datenschutz“ und „Sicherheit“ verbarrikadiert. Was ich jedoch von ihm wollte, war eine ganz schlichte Auskunft: Was muss ein O2-Kunde tun, wenn ihm die genannten Kennworte nicht vorliegen? Wie wird, rein technisch, und ganz allgemein, dieser missliche Zustand behoben? Um mir das mitzuteilen, dazu hĂ€tte der Telefonist keinerlei Authentifizierung benötigt. Ich wollte in diesem GesprĂ€ch nichts umstellen oder freischalten lassen. Ich wollte wissen, was ich tun kann, damit ich (oder mein Mann, falls wir hier Erbsen zĂ€hlen wollen) demnĂ€chst wieder die O2-Website und/oder die Hotline nutzen kann.

Aber selbst wenn ich den Wunsch gehabt hĂ€tte, jetzt und hier am Telefon gleich etwas umstellen oder freigeben zu lassen: lösungsorientiert war die Strategie des Mitarbeiters nicht. Er wusste, nebenbei angemerkt, auch gar nicht, um was es eigentlich ging, und fĂŒr welches Problem ich eine Lösung suchte. Zu einer Frage ließ er mich nĂ€mlich ĂŒberhaupt nicht erst kommen. Er war vollstĂ€ndig darauf konzentriert, sich wie Zerberus zu gebĂ€rden, und mir jeglichen zielfĂŒhrenden Dialog zu verweigern. Die direkte AbkĂŒrzung zwischen „Ich möchte doch nur wissen 
“ und „Ohne Telefonkennwort können Sie hier gar nichts!“

Wann braucht ein Kunde so ein ominöses Kennwort? Wohl fast nie! So oft im Leben lĂ€sst man nichts an seinem Telefonanschluss umschalten oder Ă€ndern. Es ist nur natĂŒrlich, dass man so etwas nicht zur Hand hat, nach etlichen Jahren mit dem selben Telefonvertrag. Es muss also sehr oft vorkommen, dass Kunden anrufen, die das genannte Kennwort nicht parat haben. O2, lĂ€sst du die Leute alle so mit Anlauf an die nĂ€chste Wand klatschen?

Unterstellen wir, du wĂ€rst völlig paranoid, und hĂ€ttest gute GrĂŒnde dafĂŒr: Was hĂ€tte dagegen gesprochen, mir am Telefon mitzuteilen, dass mein Mann dieses oder jenes Formular aus den Internet herunterladen muss, unterschreiben muss, an diese oder jene Adresse schicken muss, mit Postident und weiß der Kuckuck was noch? Meinetwegen hĂ€tte die Antwort auch lauten können: Ihr Mann muss in einer unserer Filialen vorbeikommen, seinen Ausweis vorlegen, und einen Antrag in sechzehnfacher Ausfertigung ausfĂŒllen. Irgendwas. Einen Weg wird’s doch wohl geben. Oder etwa wirklich nicht? Gibt es kein Protokoll, keine Lösung, keine StandarderklĂ€rung, nicht einmal eine URL oder einen Klick-Pfad, der mir am Telefon beschrieben werden darf? Und sind Unterschrifts- oder vergleichbare Vollmachten fĂŒr dich völlig undenkbar? So undenkbar, dass man sich mit deinen Mitarbeitern nicht am Telefon darĂŒber unterhalten kann, wie man dich fĂŒr die Zukunft mit einer solchen Vollmacht versorgen kann? Kann man so etwas nicht klĂ€ren? Und erklĂ€ren?

Bitte finde einen kundenfreundlichen Weg, um mit Situationen wie der heutigen umzugehen, O2. Und bitte sorge dafĂŒr, dass deine Telefonisten sich im GesprĂ€ch lösungsorientierter verhalten. Die Lösung muss (und darf!) nicht lauten, dass man sich ĂŒber Sicherheitsbestimmungen hinwegsetzt. Das verlange ich nicht, und das hĂ€tte ich nicht verlangt. Ich bin selbst Sysadmin von Beruf, und ich Ă€ndere niemals auf telefonischen Zuruf von irgendwem irgendein Passwort. Aber bitte teilt doch euren Kunden mit, wie sie legal an valide Authentifizierungsdaten kommen. Und auch, wie sie einander eine Vertretungsvollmacht ausstellen können, damit wenigstens ein Ehepartner etwas fĂŒr den anderen erledigen kann, ohne dass eure Hotline gleich im Dreieck springt und mit Kruzifixen und Weihwasser wirft. So ein wirres, eskalierendes GesprĂ€ch wie heute möchte ich nie, nie, nie wieder mit einem Kundensupport fĂŒhren mĂŒssen.

UPDATE: Übrigens, „O2 Hotline unfreundlich“ bringt eine hĂŒbsche Menge Treffer bei Google. Das ist keine gute Werbung fĂŒr euch. Und wenn ein Anbieterwechsel nicht so einen riesigen Haufen Scherereien mit sich bringen wĂŒrde, dann wĂ€re das heutige Erlebnis fĂŒr mich ein Grund gewesen, Telefon und Internet in Zukunft bei jemand anderem zu buchen.

2. UPDATE: Dank der kompetenten Social-Media-Betreuung von O2 konnte ich inzwischen unsere Zugangsdaten recovern und unsere Kundendaten aktualisieren. Treppenwitz: Als ich es eben im Kundencenter das Telefonkennwort sah, fiel es mir wie Schuppen von den Augen, dass ich das damals selbst gesetzt habe. In einem etwas entspannter verlaufenden GesprÀch hÀtte es mir also durchaus wieder einfallen können.

Ich hoffe, du bist gut nach Haus gekommen

Es war schon viel zu spÀt, als ich mich in die Bahn setzte, um heimzufahren. ÃƓber drei Stunden lang hatte ich beim Friseur zugebracht; so lange hatte es gedauert, um den Haaransatz weiÃƞblond zu bleichen, und mein Haar in schrillem Magenta und dunklem Violett einzufÀrben, es zurechtzustutzen, und es keck in die Höhe zu föhnen. Nun war ich hundemĂƒÂŒde, und auch hungrig, wollte nichts mehr sehnlicher als ab in die kuschlige Wohnung, eine mitgebrachte Schale eines Wok-Gerichts aufessen, etwas fernsehen, und mich dabei in meine Kuscheldecke einmummeln. Doch dann hab ich gemerkt, dass in diesem Abteil etwas merkwĂƒÂŒrdig war.

Mehrere MÀnner alberten herum, lachten ĂƒÂŒberlaut, sprachen provozierend, und machten Bemerkungen in einem Ton, den man durchaus fĂƒÂŒr schlĂƒÂŒpfrig halten konnte. GeldbetrÀge wurden genannt, und das GelÀchter wurde ordinÀr. Da habe ich genauer hingeschaut. Im Mittelpunkt des Interesses war ein kleiner Junge, schmal und schĂƒÂŒchtern, der war höchstens 13 Jahre alt. Er saÃƞ ganz allein auf seiner Seite des Gangs. Einer der MÀnner verabschiedete sich von seinen Kumpels, die zwei andern blieben im Abteil, und machten weiter ihre Bemerkungen.

Mich hat nicht interessiert, ob das hier ernst gemeint war, oder nur als derber SpaÃƞ. So geht man nicht mit Kindern um. Der Zug fuhr los, und ich stand auf, und setzte mich schrÀg gegenĂƒÂŒber zu dem Jungen. „Kennst du diese MÀnner?“ waren meine ersten leisen Worte zu ihm. Er verneinte. „Wenn es ein Problem gibt, bin ich fĂƒÂŒr dich da!“

Jetzt fingen die beiden MÀnner an, ĂƒÂŒber mich zu reden. Nicht zu mir, wohlgemerkt, sondern ĂƒÂŒber mich. Sie fragten nicht mich, was ich getuschelt hÀtte, sie fragten den Jungen. Ich drehte mich zu ihnen um, und sprach sie direkt an. Ich sagte ihnen, dass man in diesem Ton nicht mit Kindern redet, die man nicht einmal kennt. Sie redeten sich damit heraus, dass er es gewesen sei, der sie angesprochen habe, und dass er es gewesen sei, der sie provoziert habe.

In mir brodelte es, doch ich hielt mich zurĂƒÂŒck. Statt dessen wendete ich mich an das Kind. Ich schlug ihm vor, mit mir ein Abteil weiter zu gehen. Ich wollte ungestört mit dem Jungen reden. Inzwischen hatte ich den Bemerkungen entnommen, dass der Junge seine Freunde aus den Augen verloren hatte, und nun mutterseelenallein versuchte, zurĂƒÂŒck nach Bergedorf zu kommen. Im Nachbarabteil angekommen wurde mir deutlich, was fĂƒÂŒr eine Gradwanderung dies war. Gesundes Misstrauen Unbekannten gegenĂƒÂŒber war nun mehr als wichtig fĂƒÂŒr den Jungen. Auch hatte ich nichts gegen die MÀnner in der Hand, die das Kind zuvor belÀstigt hatten. Was sollte, was konnte ich tun? Und dann erfuhr ich auch noch, dass er nicht mal Geld dabei hatte.

„Hör zu“, hab ich zu ihm gesagt, „was diese MÀnner da mit dir gemacht haben war nicht in Ordnung. Du musst nicht in der NÀhe von Leuten bleiben, die so mit dir umgehen. Du solltest von solchen Leuten weggehen. Was ich jetzt mache, ist eine groÃƞe AuÃƞnahme. Du bist mir zu nichts verpflichtet, ich werde gleich aussteigen, und vermutlich werden wir uns niemals wieder sehen. Ich möchte nicht, dass du ohne Geld unterwegs bist, und dadurch Probleme bekommst.“ – Und damit hab ich ihm fĂƒÂŒnf Euro hingehalten, die er erst nicht nehmen wollte, die er nur annahm, nachdem ich nochmal sagte, dass er mir zu nichts vepflichtet sei, dass ich gleich aussteigen wĂƒÂŒrde, dass wir uns nicht wiedersehen wĂƒÂŒrden. Aber darauf, dass er das Geld nahm, habe ich bestanden. Denn spÀt am Abend muss man, wenn man vielleicht vom Bahnhof aus noch mit dem Bus fahren muss, vorn beim Fahrer die Fahrkarte vorzeigen. Er sollte nicht allein bei Nacht zu FuÃƞ nach Hause laufen mĂƒÂŒssen.

Ich wollte aber dennoch keinen Angriffspunkt schaffen, und seinen Instinkten nicht schaden. Er hatte sich zu seinen indischen Landsleuten gesetzt, in der Hoffnung, dort sicher zu sein, und war in eine ganz wĂƒÂŒste Situation geraten. Nun musste er lernen, Distanz zu halten, sich in Sicherheit zu bringen, sich nicht anködern und ĂƒÂŒbertölpeln zu lassen. AuÃƞerdem war ich im Zwiespalt: Die Polizei rufen? Nichts beweisen können? Am Ende war der Junge vielleicht ohne Papiere hier, oder wĂƒÂŒrde zumindest so behandelt werden, bis das Gegenteil bewiesen war, und bekÀme so mehr Ärger als seine BelÀstiger.

Als ich ausstieg, hatte ich ein fĂƒÂŒrchterlich mieses GefĂƒÂŒhl. Ich hoffe, kleiner Mann, du bist heil und gesund zuhause angekommen.

Termingerechte Terminatoren

Das ist aber wirklich freundlich von den Terroristen, dass sie pĂƒÂŒnktlich zur heutigen Innenministerkonferenz in Hamburg ihre finsteren PlÀne durchsickern lassen. FĂƒÂŒr die kommenden 13 Tage ist hier nun erhöhte Wachsamkeit angesagt! Vermutlich lÀuft danach das Visum der Terroristen ab, oder der Sprengstoff ist dann ĂƒÂŒber’s Haltbarkeitsdatum raus und kann nicht mehr verwendet werden – keine Ahnung. Jedenfalls sollen wir braven BĂƒÂŒrger nun Ruhe bewahren, wÀhrend der Staat StÀrke zeigt. Das tut er in Form von bulligen, schwarz gekleideten Kerls, die mit kugelsicheren Westen und automatischen Feuerwaffen auf unseren Bahnhöfen herumlungern patroullieren.

Oh Mann, was fĂƒÂŒhl ich mich jetzt aber sicher! AuÃƞerdem darf ich mich nicht in meinen Lebensgewohnheiten beeintrÀchtigen lassen. Das hat mir der Herr Innenminister de Maiziere nÀmlich verboten. Seinen ÄuÃƞerungen zufolge haben wir nun alle Grund zur Sorge, aber nicht zur Hysterie. Ob damit auch hysterisches GelÀchter verboten ist, ist mir nicht ganz klar. Herrenloses GepÀck und auffÀlliges Verhalten sollen allerdings gemeldet werden.

Vermutlich wÀre es empfehlenswert, sehr belebte Orte in den kommenden zwei Wochen zu meiden. Das wird den Hamburgern sicherlich leicht fallen. Insbesondere jetzt, wo bereits jahreszeitbedingt die Bahnen gesteckt voll sind, was zusÀtzlich durch seit Wochen ausfallende Entlastungslinien der S-Bahn verschÀrft wird. Aber nach diesen 13 Tagen sind wir dann wieder klipp, und können uns pflichtschuldigst in die WeihnachtseinkÀufe stĂƒÂŒrzen.

Ich glaube, mein Schwein pfeift.

Update:

Wir haben keine Angst!