Krimi zum Frühstück

POW!

In meinem bevorzugten Frühstückslokal gibt es vorn rechts einen kleinen Selbstbedienungsbereich. Wer dort etwas bestellt, muss aufstehen und drei Schritte zum Tresen gehen, um sich Essen und Getränke abzuholen. Ein Schild weist auf den Umstand hin.

In eben diesen Bereich setzte sich heute morgen ein lautstark telefonierender Herr Wichtig. „Alles ist zu!“, brüllte er in sein Smartphone, „Ich hab so einen Hunger, und alles ist zu! Das ist wirklich unglaublich! Alle meine Läden sind zu!“

Nun kann ich wirklich nicht beurteilen, ob jener Herr Wichtig tatsächlich Besitzer oder wenigstens Leiter mehrerer Bäckereien oder Gaststätten ist, oder ob er einfach nur erbost war, dass die von ihm bevorzugt frequentierten Lokalitäten Montags morgens um acht nicht geöffnet hatten, aber eigentlich geht mich das auch nichts an. Dennoch konnte ich nicht umhin, davon Notiz zu nehmen, trotz etlicher Meter Distanz zwischen mir und diesem Herrn. Sein Gebrüll ließ das nicht zu.

Währenddessen wurde ihm vom Barmann sein bestelltes Bier zum Tresen gebracht, mit dem Hinweis, er möge es sich dort bitte abholen. Der telefonierende Herr Wichtig lehnte das brüsk ab, und beklagte sich lautstark bei seinem Telefongesprächspartner über dieses unbotmäßige Ansinnen. Ganz genau kann ich den weiteren Verlauf des Gesprächs nicht mehr rekonstruieren, aber ich meine, der Barmann verwies den unfreundlichen Gast daraufhin des Lokals. Ob dann Herr Wichtig oder der Barmann das Gespräch auf die Polizei brachte, habe ich nicht so genau mitbekommen, da ich von Herrn Wichtig jedes Wort hörte, vom leisen Barmann jedoch kaum etwas. Deutlich vernehmbar war allerdings die Bemerkung des Herrn Wichtig, er lasse sich von „so einem Gartenzwerg“ „so etwas“ nicht sagen, worauf er aufstand, und einen gläsernen Zuckerstreuer im hohen Bogen über den Tresen warf, der laut klirrend vor den Füßen des Barmanns auf dem Boden aufschlug.

Dann kam Bewegung in die Sache. Herr Wichtig stürzte, das Smartphone noch immer in der Hand, aus dem Lokal, der Barmann rannte hinterdrein, und ich meinte, von draußen einen Hieb zu hören. Wer da jetzt wem eine Schelle erteilt hat, kann ich allerdings beim besten Willen nicht sagen. Dann kehrte der Barmann kurz zurück, während der Koch, der durch die Durchreiche wohl einiges mit angehört hatte, in den Gastraum geeilt kam. Kurz darauf spurteten beide zusammen dem „wichtigen“ Gast nach.

Ich habe noch in Ruhe zu Ende gefrühstückt, und hinterher dem Barmann angeboten, dass er, falls Herr Wichtig ihn anzeigen sollte, auf meine Aussage zurückgreifen darf. Immerhin bin ich Stammgast in dem Laden, und werde dort stets sehr freundlich bedient. Und auf Tischnachbarn wie Herrn Wichtig kann ich verzichten. Um das mal diplomatisch auszudrücken.

Nachtrag:
Der „wichtige“ Gast soll sowohl den Barmann als auch die herbeigerufenen Sicherheitsleute angezeigt haben. Nachdem ich das erfahren habe, habe ich mich als Zeugin bei der Polizei gemeldet. Ich bin gespannt, was dabei wohl herauskommen wird.