Ein perfekter Tag

Was für ein schöner Tag! Ich hab auf Anhieb die richtige Eigenschaft in der Typoscript-Doku gefunden, und im zweiten Anlauf tat mein Code auch, was ich von ihm wollte. Die Gespräche mit den Kollegen waren wieder richtig nett. Draußen stürmte und hagelte es, der Wind heulte, dass es eine Freude war, und ganze Wolken von Herbstlaub zogen wild durch die Luft taumeln an unserem Bürofenster vorbei. Mittags, als ich essen gehen wollte, hörte der Regen pünktlich auf, und die Sonne schaute heraus. In der Mensa gab es meine Lieblingsgemüsesorten, und ich musste nach dem Essen nicht lang anstehen, um meinen Teller auf’s Band zu stellen. Nach dem Essen fand ich einen halbwegs eleganten Weg, die 750 Webseiten nach korrekturwürdigen Links abzusuchen, ohne dass der Crawler sich an den Session-IDs verschluckt hat, und die Anzahl war angenehm überschaubar. Der Verkäufer im Plattenladen konnte mir auf Anhieb und ohne Blick in den Computer sagen, dass der Ohrwurm, den ich den ganzen Tag im Kopf hatte, von Chesney Hawkes gesungen und von Nik Kershaw geschrieben worden ist, und binnen weniger als zwei Minuten, nachdem ich gefragt hatte, hielt ich einen 90er-Jahre-Sampler in der Hand, der noch jede Menge andere tolle Stücke enthält. Zusammen mit der Kaminfeuer-DVD (Sturmgeheul im Hintergrund!), der Apfel-Zimt-Kerze, zwei dezenten Räucherstäbchen (nacheinander), zwei Kannen Kräutertee (eine „Abendmischung“ und ein Gewürztee mit Orangenduft) und ein paar Zeitschriften (Spektrum der Wissenschaft, National Geographic) war das ein perfekter Feierabend.

Mit hochgelegten Füßen denke ich noch belustigt über ein etwas schräges Erlebnis nach, das ich auf der Heimfahrt im Bus hatte. In meiner unmittelbaren Nähe saßen zwei „gestylte junge Herren“ und unterhielten sich über Dinge, die zunehmend privater wurden, bis schließlich einer von beiden etwas sehr direkt (und dabei auch ziemlich vulgär) wurde. Das ging seinem Bekannten dann doch zu weit, und er versuchte, seinen Kumpel zurechtzuweisen. Der meinte darauf, erstens würde er gern mal Grenzen überschreiten, zumal wenn diese unsichtbar seien, zweitens habe selbst Schuld, wer ihm zuhöre, und drittens verfüge er durchaus über Etikette und gutes Benehmen, würde es aber nicht für nötig halten, dies in einem Bus zwischen St. Georg und sonstwo zum Ausdruck zu bringen, wo das Publikum doch eher geringere Ansprüche habe. Ich weiß nicht, wie ich es hinbekommen habe, nicht breit zu grinsen, sondern einigermaßen ausdruckslos in die Luft zu starren. Das Kerlchen saß direkt neben mir. Um seine Bemerkungen zu überhören, hätte ich einen voll aufgedrehten MP3-Player tragen oder gehörlos sein müssen (was sich mit einem voll aufgedrehten MP3-Player mit der Zeit eventuell auch erreichen läßt). Eine Station nach seinem coolen Spruch über das Niveau der Fahrgäste auf dieser Strecke stieg er dann aus. Die Bierflasche, die er dabei offen rumtrug, stand in einem sehr aparten Kontrast zu seinem eleganten Outfit. Einkaufsnotiz für die nächste Busfahrt: eine kleine Tüte Popcorn.