Schlagwort-Archive: Haustiere

Der Wunsch als Vater des Gedanken

Man hört manchmal nur, was man hören will, besonders, wenn man sich Hoffnung einreden möchte – Spinnengift gegen das Tumorwachstum bekommt Lottchen nämlich nicht, sondern ein Schmerzmittel. Dass ich das erst gestern mittels Google erfahren habe lag daran, dass ich vom Tierarzt keine Verpackung und keinen Beipackzettel bekommen habe, sondern nur eine mit einem Gummideckel verschlossene Spritze, auf der mit Folienmarker handschriftlich der Medikamentenname stand: Metacam.

Ich wußte, dass man bei Vögeln Krebserkrankungen mit Spinnengift behandelt, und der Tierarzt hatte mir die Dosierung des Medikaments erklärt. Ob er mir auch gesagt hat, dass es ein Schmerzmittel ist? Ich kann mich nicht erinnern – vermutlich war ich einfach viel zu aufgeregt. Inzwischen hat sie auch an der Wellensittich-Waffel geknabbert, die ich vorgestern mit zwei Tropfen Metacam getränkt hatte. Heute habe ich ihr da noch mal ein Tröpfchen drauf getan.

Federvolk

Lotte ist stinksauer!Lotte ist stinksauer, und aus ihrer Sicht hat sie auch völlig recht: Wie konnte ich nur! – Dabei konnte ich wirklich nicht anders, aber das erkläre man mal einer Vogeldame.

Moritz schmollt.Am Samstag hatte sie Zoff mit Moritz, ihrem Mitbewohner. Der ist ein wenig agil, wenn man es diplomatisch ausdrücken will. Weniger zurückhaltend formuliert ist er hyperaktiv und oft eine ziemliche Nervensäge. Als ich am Samstag nach den Piepmätzen sah, hatte er außerdem einige Blessuren. Offenbar hatte Lottchen ihn an den Schwanzfedern gezogen, hinkte aber auch selbst plötzlich auf einem Bein. Also beschloss ich, die zwei nun zu trennen, und richtete für Moritz meinen Umsetzkäfig ein. Normalerweise hat dieser Käfig mir dazu gedient, die Vögel zwischenzeitlich umzuquartieren, während ich ihre Käfige ausschrubbe. Moritz ist nicht begeistert von seiner neuen Bude und schmollt ununterbrochen, seit Samstag. Was für eine Gemeinheit, ihn von Lotte zu trennen! Die will aber ihre Ruhe haben, und die braucht sie jetzt auch. Lotte ist nämlich krank.

Nachdem Lottes Beinchen den Sonntag über nicht besser werden wollte, beschliesse ich heute morgen, sie zum Tierarzt zu bringen. Da ich die Erfahrung machen musste, dass der durchschnittliche städtische Veterinär zwar gut mit Hunden und Katzen, aber nicht mit kleinen Flattertierchen klar kommt, kommt für meine Rosenköpfchen nur ein ausgewiesener Vogelspezialist in Frage. Der Tierarzt meines Vertrauens heißt Dr. Reese und hat seine Praxis in Sasel.

Eine Taxifahrt steht also an. Ich hole Lottchens Käfig nach vorn, suche den kleinen Transportkäfig hervor, und bekomme sofort lauten Protest zu hören! Trotzdem will ich sie so berührungsfrei wie möglich dort unterbringen: Käfig auf, Minikäfig vor die Öffnung, sanftes Handgewedel auf der anderen Seite … nein, so wird das nix. Madame ahnt, was ihr blüht, und will auf keinen Fall zum Tierarzt. Hm! Ungern öffne ich das zweite Türchen und schiebe den kleinen Schreihals sachte mit der flachen Hand Richtung Minikäfig. Sie beißt nach mir, erwischt mich aber nicht, und flüchtet unter Protest in den Transportkäfig. „Puh,“ denke ich, „geschafft,“ und schiebe die Käfigöffnung beiseite, damit sie von den Gitterstäben abgedeckt wird. Lotte merkt das und hüpft flink wieder raus. Mist! Also muss ich sie wohl fangen. Das wird sie mir übel nehmen – Mist, Mist, Mist! Ich greife sachte nach dem panisch flüchtenden Vogel und versuche, mich nicht ganz so ungeschickt anzustellen wie ‚Tippi‘ Hedren. Schließlich hab ich sie und setze sie in die Box. Danach versorge ich meinen blutenden Finger mit einem Pflaster und rufe ein Taxi.

Unterwegs schaut Lottchen interessiert ihre Umgebung an und ist ansonsten still. Verschüchtert oder gestresst wirkt sie überaschenderweise kaum, eher neugierig. Das ändert sich aber bei Tierarzt ganz schlagartig. Der nimmt sie mit einem Tuch in die Hand, womit sie schon mal gar nicht einverstanden ist. Dann macht er sie auch noch mit Alkohol nass. Unerhört! Lottchen schimpft und schreit ihre Empörung heraus.

Der Tierarzt allerdings entdeckt übles. Lottchen hinkt nämlich nicht, weil Moritz sie gebissen hat, sondern weil tief unter ihren flaumigen Federn eine Schwellung steckt, wie eine fiese Fettmanschette rund um den oberen Ansatz ihres Beins. Also muss sie noch zwei weitere Untersuchungen über sich ergehen lassen: Röntgen und Ultraschall. Danach sitzt sie verdattert und mit Gel beschmiert im Transportkäfig, und ich stehe ziemlich betreten daneben. Lotte hat mehrere Tumore. Der Tierarzt gibt mir ein Spinnengift-Präparat (*) mit, das das Wachstum der Tumore stoppen soll, etwas Papageienaufzuchtfutter, und ein paar Ratschläge zur Fütterung.

Ich bringe Lottchen mit dem Taxi heim und lasse den Fahrer unten warten, während ich sie nach oben bringe und in den Käfig zurück setze. Meinen Kollegen habe ich von unterwegs aus mitgeteilt, dass ich etwas später eintreffen werde. Gegen Zehn bin ich dann endlich im Büro, drücke die Gedanken an mein krankes Haustier so gut es geht weg, und lese statt dessen ein paar Tutorials über Perl und PHP.

Am späten Nachmittag komme ich heim und sehe gleich nach den Tieren. Lottchen wirkt immernoch bedröppelt und traut mir offenbar alle Schlechtigkeiten dieser Welt zu. Ich träufele ihr etwas Medizin auf einen Pressfuttertaler („Toppers“ heißen die Dinger, eigentlich sind sie für Wellensittiche) , und hänge ihr eine Hirserispe in den Käfig. Lottchen schreit und flattert panisch im Käfig herum. Also sehe ich zu, dass ich sie in Ruhe lasse. Heute hat sie weiß Gott genug Stress gehabt.

Auch Moritz mag mich nicht. Beleidigt verzieht er sich in die hinterste Ecke seines Käfigs. Er mag auch nicht fressen, während ich daneben stehe. Gehe ich raus, ist er aber sofort am Fressnapf und pickt, als ob er morgen nichts mehr bekäme.

Liese will gefüttert werdenHer damit!Dafür sind die anderen beiden Vogeldamen mir recht zugetan. Dabei war Liese vorletzte Woche selbst beim Doc, und hat es auch nicht grade nett gehabt. Röntgenaufnahme, Kropfspülung, und vier Tage Klinikaufenthalt mit Zwangsernährung und Antibiotika waren bei ihr das Programm – aber da stand ich nicht dabei, als es passiert ist, und ich musste sie auch nicht anfassen, um sie in den Minikäfig zu bekommen. Böse ist sie mir ganz offensichtlich kein bisschen. Ob sie weiss, dass ihr der Arztbesuch das Leben gerettet hat? Jedenfalls kommt sie zutraulich nach vorn, und nimmt mir vorsichtig die Sonnenblumenkerne aus den Fingerspitzen, die ich ihr durch die Käfigstangen halte.

Madame DreizehnGierige Dreizehn!Das provoziert natürlich Madame Dreizehn. Laut schimpfend kommt auch sie nach vorn und verlangt ihren Anteil an Sonnenblumenkernen. Da hilft es nichts: ich muss die beiden abwechselnd füttern. Inzwischen werden die weissen Sonnenblumenkerne im Futterglas knapp, und ich biete die grau-weiß gestreiften Kerne an. Dreizehn schimpft und beißt nach meinen Fingern, bis ich ihr brav ein paar weiße Kerne aus den Tiefen des Glases suche. Auch Liese hat die weißen Kerne lieber, beißt mich aber wenigstens nicht, sondern dreht sich nur lustlos weg, wenn ich ihr graue Kerne hinhalte. Ich werde mich wohl nach einer Tüte mit hellen Kernen umsehen müssen, wenn ich es mir mit den zwei Feinschmeckerinnen nicht verscherzen will.

Die Bilder von meinen vier Rosenköpfchen sind übrigens deshalb so klein und unscharf, weil es abends in meinem Vogelzimmer nicht besonders hell ist, und ich für die paar Schnappschüsse keine blendende Festbeleuchtung anmachen wollte.