Hamburg bringt seine Bürger in Gefahr …

… kommentierte @ring2 am 5. Februar auf Twitter – und er schimpfte zu Recht! Anstatt den Schnee wegzuräumen, als es noch Schnee war, sagten sich die Verantwortlichen nämlich ganz offensichtlich: „Lass liegen, tritt sich fest, gibt’n Muster!“

Ja, es hat sich festgetreten. Es ist angetaut, und wieder angefroren, und es hat draufgeschneit, ist wieder angetaut, und dann glashart gefroren. Öffentliche Wege in Hamburg sind überwiegend spiegelglatt. Die Menschen schliddern und stürzen hier auf einem glitschigen, dicken Eispanzer, den jetzt auch keiner mehr weghacken kann – es sei denn, man wollte dazu Presslufthämmer bemühen.


Als ich am Donnerstag Morgen Richtung S-Bahn Rothenburgsort unterwegs war, sah ich, wie ein Mann auf dem Zebrastreifen hinfiel. Er knallte voll aufs Gesicht, und seine Tasche flog quer über die Straße. So vorsichtig, aber auch so rasch wie möglich, eilte ich mit meinem Mann zu ihm hin, um zu helfen. Der arme Kerl blutete in Strömen. Auch an den Tagen vorher hatte ich schon viele Leute stürzen sehen, aber dieser Anblick will mir nicht mehr aus dem Kopf. Das hätte nicht sein müssen. Das hätte man mit ein paar Schaufeln Split wirklich verhindern können. Warum musste das passieren?

Am Freitag fing das Eis dann an zu tauen, und auf dem Weg vom Büro zur S-Bahn konnte ich mich kaum auf den Füßen halten, so glitschig war das klatschnasse, blanke Eis draußen vor unserer Dienststelle. Ich fuhr zum Hauptbahnhof, wollte eigentlich ins Café in der Thalia-Buchhandlung, stand sogar schon dort vorm Eingang – und drehte spontan wieder um. Wie konnte ich hier seelenruhig Tee trinken, wenn in meinem Stadtteil der Weg zur S-Bahn voll mit blankem, nassem Eis war? Ich fuhr heim, ging in den Keller, und holte mir eine Schaufel. Und dann habe ich Eisschollen gehackt und vom Bürgersteig gehebelt, von halb fünf bis halb zehn. Viel hab ich nicht geschafft, denn als untrainiertem Büroweibchen fehlten mir dazu die Kräfte. Ein körperlich arbeitender Bär von einem Mann hätte in derselben Zeit bestimmt mehr als doppelt so viel geschafft. Dummerweise ist ein Bär von einem Kerl nie da, wenn man ihn brauchen könnte.

Am Samstag wurde es wieder eiskalt, und was am Freitag Pfützen aus Schmelzwasser gewesen waren, war jetzt glashart gefroren und spiegelglatt. Ich kaufte Kleintierstreu aus Holzspänen, und streute das auf den Weg. Der Wind verwehte das meiste, und es brachte auch nur ein wenig, aber das bißchen, was liegenblieb, hat zumindest am Samstag und am Sonntag so manchem ein klein wenig geholfen. Lieber noch hätte ich mir Sand oder Split geholt, aber die Sandkiste vom Spielplatz liegt unter einem Eispanzer, und Split-Depots gibt es hier nirgends. Auch das Eis ließ sich nicht mehr hacken – es war einfach viel zu hart geworden durch den strengen Frost. Zwar hat mir am Samstag sogar noch eine Frau aus dem Stadtteil geholfen, aber wir hatten einfach keine Chance. Zwei Quadratmeter nach zwei Stunden Plackerei! Da haben wir dann aufgegeben.

Aber nicht nur die Stadt kommt ihrer Verkehrssicherungspflicht nicht ausreichend nach. Auch auf den Bahnsteigen ist es gefährlich. Anstatt räumen zu lassen, macht man Durchsagen – es ist eine Frechheit! Ich will nicht, dass man uns Fahrgäste um Verzeihung bittet, sondern ich will, dass uns die Verkehrsbetriebe den Service bieten, für den wir mit unseren Fahrkarten teuer genug bezahlen! Und nein, ich möchte nicht, dass man Hartz-IV-Bezieher als 1€-Jobber dafür einsetzt. Nachdem ich mir selbst den Buckel weh und krumm geschuftet habe, kann ich beurteilen, was das für eine harte Arbeit ist. Stellt Saisonarbeiter dafür ein, oder beauftragt Baufirmen damit, und bezahlt die Leute anständig dafür. Soviel Wertschätzung muss sein. Und wenn ihr schon nur Split streuen lasst, statt zu räumen, dann streut bitte regelmäßig nach, in ausreichender Menge! Und nicht dekorativ, wie einen Hauch Zuckerstreusel auf der Kindergeburtstagstorte, und so selten, dass das Zeug beim nächsten Antauen einsinkt und gleich wieder unter dem nächsten Eisfilm verschwindet, das nutzt nämlich niemandem. Muss sich eigentlich erst ein Senator das Bein brechen, damit diese Stadt ihrer Verkehrssicherungspflicht nachkommt?

Meinetwegen kann man übrigens gern die Bauruine der Elbphilharmonie gleich wieder niederreißen und zu Rollsplit verarbeiten, falls es an Streugut fehlen sollte. Oh Mann, ich hab eine Stinkwut.

Update am 9. Februar 2010 um 22:27 Uhr: Vorhin bin ich vom Stammtisch heimgekehrt und hab nicht schlecht gestaunt: Da hat jemand das eisfreie Stück Weg noch um ein gutes Ende verlängert, und muss sich dabei richtig heftig abgerackert haben. Bei der glasharten Piste das Eis bis auf die Gehwegplatten runter zertrümmern? Respekt! Es lag auch gleich wieder eine pudrige Schicht Schnee drüber, die ich noch eben fix mit dem Besen beiseite gekehrt habe. Auf den vereisten Partien wurde auch etwas Split gestreut, die könnten allerdings noch etwas mehr davon vertragen.

2 Gedanken zu „Hamburg bringt seine Bürger in Gefahr …

  1. Respekt für deinen Einsatz!
    Wie ist das eigentlich mit der Verkehrsicherungspflicht? Kann man die irgendwo einfordern? Anzeige bei der Polizei machen?

    1. Zu den rechtlichen Aspekten der Verkehrssicherungspflicht möchte ich mich nicht äußern; das überlasse ich lieber kundigen Juristen. Google mal danach, da wirst du reichlich Treffer finden.

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