Zen oder das Müllsammeln in Rothenburgsort

Seit Ende Februar sammle ich von Zeit zu Zeit etwas Müll in meinem Stadtteil ein. Es gibt nämlich leider Bereiche, die sonst einer Müllhalde ähnlicher sehen als einem Grünstreifen, und das liegt nicht nur an den Leuten hier. An stark von Fußgängern frequentierten Strecken sollte immer ein öffentlicher Papierkorb in Sichtweite stehen, weil sonst die Hemmschwelle, seinen Dreck ins Gelände zu werfen, ganz gewaltig sinkt.

Mir ist aufgefallen, dass es in meinem Stadtteil geradezu lächerlich wenige Papierkörbe gibt. Am letzten Wochenende habe ich mich mit dem besten Ehemann der Welt auf die Socken gemacht, um deren Standorte zu kartografieren. Die Ergebnisse unserer Bemühungen kann man bei Openstreetmap besichtigen, wenn man sich in entsprechenden Ausschnittsvergrößerungen die Daten anzeigen lässt. Papierkörbe werden in der Standarddarstellung nämlich nicht angezeigt. Wir haben danach die Hypothese aufgestellt, dass Papierkörbe möglicherweise nach folgenden Regeln in unserem Stadtteil plaziert werden:

  • an Haltestellen öffentlicher Verkehrsmittel, oder in deren unmittelbarer Nähe
  • an Ampeln, jeweils nur auf einer Seite pro Ampelpaar
  • am Eingang von Parks, und darin bei Sitzgelegenheiten und Grillplätzen
  • vor Behörden

Innerhalb der Wohngebiete haben wir keine Papierkörbe gefunden, auch nicht in der Nähe von Zebrastreifen. Auf den Billhorner Deich zwischen der S-Bahn und dem Stadtteil trifft ebenfalls keine der von uns postulierten Aufstellregeln zu, auch nicht auf den Billhorner Röhrendamm, wo sich die meisten Einkaufsmöglichkeiten der Gegend befinden. In diesen Bereichen habe ich einigen Müll eingesammelt.

Besonders rund um den Kinderspielplatz Ecke Marckmannstraße habe ich unglaubliche Mengen an Schnapsflaschen, Zigarettenschachteln, Papiertaschentüchern und Fastfood-Verpackungen aus den Büschen gezogen. Ein Teil des Mülls stammte unmittelbar vom Spielplatz, auf dem sich offenbar zu manchen Zeiten Erwachsene breitmachen, um sich zu betrinken. Hier lagen vor allem große Schnapsflaschen herum. Hinter dem Zaun beim Haupteingang zum Spielplatz habe ich eine fette, tote Ratte gefunden.

Der meiste Müll stammte aber von Passanten vom Billhorner Deich, die auf dem Weg von und zur Bahn ihren Dreck in die Gegend geworfen haben. In diesem Bereich lagen viele kleine Schnapsflaschen, sonstiger Verpackungsmüll, und sehr viele Taschentücher. Ganz schlimm sieht es immernoch unter den Brombeerbüschen nahe bei der Brücke aus. Das dornige Gestrüpp ragt bis auf den Weg hinaus, und ich habe mir große Mühe gegeben, so viel Müll wie möglich herauszuziehen. Dort fand ich dann auch exotischeren Müll: Teile eines Computerdruckers, Schuhe, Konservenbüchsen, Kartons, volle Babywindeln, und Malerwerkzeug mitsamt Farbeimer. Um an den Rest heranzukommen müsste man die dornigen Büsche zunächst mal herunterschneiden, und das ist eine gewaltige Menge. Wer weiß, was sich da noch verbirgt?

Trotz allen Unmuts über den Dreck und die fehlenden Papierkörbe sammle ich den Müll nicht mit Kampfgeist und Verbissenheit. Natürlich möchte ich auf keiner Müllhalde wohnen, selbstverständlich sollte niemand seinen Mist in die Büsche feuern, und ich bin durchaus der Meinung, dass das Engagement der öffentlichen Hand hier verbesserungswürdig ist. Aber permanente Wut tut nicht gut, und wenn ich schon etwas tun möchte, ist es besser für mich und den Rest der Welt, wenn ich es gern tue. Also nutze ich meine Sammelaktion zur Entspannung und Meditation. Es ist sinnvoll, es nutzt den Kindern dort, ich bewege mich an der frischen Luft, niemand zwingt mich, und ich kann alles in dem Tempo und dem Maße tun, wie ich es möchte.

Allerdings wäre es mir doch lieber, die Stadt würde an den vermüllten Strecken ein paar Papierkörbe aufstellen, und einige Leute mehr dafür bezahlen, unsere Stadt sauber zu halten. Erstens schafft das Arbeitsplätze, zweitens zahlen wir dafür Steuern, und drittens wäre das besser für die Umwelt. Zum Meditieren könnte ich dann wieder meine ausgedehnten Spaziergänge in meinem dann sauberen Stadtteil nutzen.

5 Gedanken zu „Zen oder das Müllsammeln in Rothenburgsort

  1. > Besonders rund um den Kinderspielplatz .. habe ich unglaubliche Mengen an

    Das scheint ein verbreitetes Problem zu sein. Auch hier bei mir in St. Georg findet sich auf den Spielplätzen seit Jahren viel Müll. Speziell Flaschen aller Art werden gerne in der Gegend verteilt, gerne auch kaputt geworfen. Nebenbei, Müllkörbe gibt es auf den Spielplätzen reichlich 🙁

    1. In der Tat: Scherben, fies und groß, in Massen – und in einer der Wodka-Flaschen, die ich gestern aus den Büschen zog, war noch eine erhebliche Restmenge drin. Ganz so reichlich ist unser Spielplatz allerdings leider nicht mit Papierkörben gesegnet; in der Ecke, in der sich die Trinker treffen, steht keiner. Auch wenn ich Zweifel habe, ob diese Bagaluten sie benutzen würden, finde ich, dass da ein oder zwei zusätzliche Müllbehälter durchaus angemessen wären.

  2. Hallo Frau Nietsch,

    toller Bericht über die Müllsituation in Rothenburgsort. Da haben Sie sich richtig viel Mühe gegeben, wenn Sie Lust haben, dann schauen Sie doch gerne mal bei http://www.madeinrothenburgsort.de vorbei. Wenn Sie Lust haben, können Sie auch gerne auf dort veröffentlichen, die Seite wird gut gefunden.

    Viele Grüße

    Alexandra Teyfel
    made in Rothenburgsort

  3. Hallo Birgit,

    ich sagte ja schon, dass ich von nun an in Ihrem sehr erfrischenden Blogg mitlesen werden würde (habe aber vorerst die Jahre 2006 bis 2010 mal übersprungen) 😉

    …und möchte gerne zu diesem Beitrag schnell etwas loswerden: Zunächst einmal finde ich Ihr Engagement in Sachen „Müll“ super – jedoch sind in unserer Ecke der (Klein-)Stadt Schloß Holte nicht (oder nicht mehr) fehlende Müllbehälter das Problem, da sind unsere Leute beinahe „reinlich“, nein,
    u n s e r Problem sind die zahlreichen Hundehäufchen (oder, je nach Größe des Tieres, -haufen)!!

    Man hat das Gefühl, hier hat jeder 2. Haushalt einen Hund, aber subjektiv betrachtet, scheint kaum ein Frauchen oder Herrchen des Liebling Dreck auch wegmachen zu wollen…
    Sobald das bisschen Schnee, was wir so haben, weg ist, kann man hier nicht mehr „hoch erhobenen Hauptes“ spazieren gehen … sondern nur noch mit fest auf den Boden gerichtetem Blick, damit man ja nicht in eine dieser Stinkbomben tritt.

    Daher frage ich mich stets auf’s neue, was man gegen d i e s e Art von Müll unternehmen kann (denn sorry, aber i c h mache das nicht weg ;-))…

    L.G. Sylvia

    1. Oh ja, Hundekot ist auch in meinem Stadtteil ein übles Problem. Besonders auf der Brücke zwischen Stadtteil und S-Bahn kullert einiges herum. Man möchte meinen, dass da regelmäßig jemand unterwegs ist, der noch nie von der Existenz von Hundekotbeuteln gehört hat. Nein, so etwas mache ich auch nicht weg. Vielleicht helfen witzige, laminierte Mini-Plakate am Brückengeländer.

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