Kreuz, Blut und Schmerz

Witz, alt: Der Papst reist nach New York. Bei seiner Ankunft am Flughafen bestürmen ihn sofort die Journalisten. Ein besonders eifriger Vertreter dieser Zunft schiebt dem Papst ein Mikrophon ins Gesicht und fragt: „Heiliger Vater, was denken Sie über das New Yorker Nachtleben?“ Der Papst, sichtlich um Haltung bemüht, lächelt gequält und fragt in diplomatischem Ton zurück: „Hat New York ein Nachtleben?“ Am nächsten Tag erscheinen Schlagzeilen in der amerikanischen Presse: Papst in New York gelandet. Seine erste Frage bei der Ankunft: „Hat New York ein Nachtleben?“

Deutschland, aktuell: Eine türkischstämmige Politikerin wird interviewt. Unter anderem wird ihr die Frage gestellt, was sie von Kopftüchern in Klassenräumen hielte. Sie lehnt diese ab, und führt aus, dass eine Schule ein neutraler Ort sein solle. Der Interviewer fragt nach, ob sie Kruzifixe gleichfalls ablehne. „Ja“, antwortet sie, „Christliche Symbole gehören nicht an staatliche Schulen. Für Schulen in kirchlicher Trägerschaft gilt das nicht.“ Mit dieser Aussage gibt sie wieder, was Stand der Rechtsprechung ist. Sie tritt nicht von sich aus an die Öffentlichkeit, um zu diesem Thema eine Forderung zu stellen. Sie beantwortet nur eine Frage.

Was folgt, ist ein Shitstorm der üblichen Machart, der den deutschen Blätterwald besprenkelt und gleichzeitig vorzüglich düngt: Empörung wird inszeniert und zelebriert, die Werte des Abendlandes mit werden mit theatralisch überhöhter Leidenschaft verteidigt. Als die Dame sich daraufhin genötigt sieht, das Gesagte zu relativieren, tritt die Journaille noch mal kräftig nach, und überschriftet: „Jetzt kriecht sie zu Kreuze“.  Im Artikel wird die Bildsprache weitergeführt und bis ins Perverse gesteigert: „Sie hat sich eine blutige Nase geholt, wurde von Parteikollegen zur Räson gerufen und ist zum Schluss zu Kreuze gekrochen …“

Welch ein Bild: Eine Muslima, die zu frech geworden, hat man blutig zusammengeschlagen, bis sie schließlich auf dem Boden kriechend unter dem Kreuz um Vergebung bettelte. Man könnte fast auf den Gedanken kommen, dass manche Autoren solcher Beschreibungen eine gewisse dunkle Lust an Geschichten von Blut, Schmerz und Tränen empfinden, dass für sie die Feder ein mächtigeres Züchtigungsinstrument sei als die Peitsche, dass jeder Anschlag auf der Tastatur einem klatschenden Hieb auf den entblößten Rücken ihrer Opfer gleichkäme. Aber da geht bestimmt nur meine Phantasie mit mir durch. Genau wie bei dem Gedanken, dass manche Redakteure bei der Arbeit ein sehr knappes, eng sitzendes Lederoutfit samt zugehöriger Henkersmaske tragen.

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Ein Gedanke zu „Kreuz, Blut und Schmerz

  1. Hast du auch gemerkt?: Da ist eine Stimme geschult von der göttlichen Liturgie. Das ist gleich ganz anders …Und ja, vielleicht brauchen wir mal wieder einen miesen Papst, damit wir blendendere Bischöfe bekommen.

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