Erzähl’s deinem Friseur

Schon als ich den Salon betrat, konnte ich nicht umhin, ihn zu bemerken. Herr Wichtig unterhielt die Anwesenden stimmgewaltig mit detailiertem Insiderwissen, während eine angestrengt lächelnde Friseurin ihm die salatschüsselförmige Korkenzieherlockenpracht föhnte. Von jenem einstigen Politiker erzählte er, der damals schon in Hamburg jenes weiße Puder konsumierte, das eine Bekannte eines Bekannten ihm zu bringen hatte, so sechs- bis achtgrammweise, wofür jener Kunde ihr ein wenig Geld und manchmal auch ein Gramm abgab, kostenlos geschenkt, also quasi umsonst. Später habe man diesen Herrn das Zeug in Südamerika vor laufender Kamera mittels eines Strohhalms konsumieren sehen. Und dieser Mensch habe ja so sehr andere Menschen manipulieren können, und er habe sogar versucht, hochrangige Politiker zu erpressen, ja, ja. War mir völlig entfallen, und all den anderen Leuten im Salon sicherlich auch. Wie gut, dass er uns das noch mal alles ganz genau erklärte, und auch laut genug, dass es gewiss jeder verstand (vielleicht sogar bis nebenan). Noch erfreuter war ich allerdings, nachdem er gegangen war, und mir die Friseurin schaudernd erzählte, wie er begierig das Foto eines Models in einer der ausliegenden Zeitschriften mit der Zunge abgeschleckt hatte. Oh … mein … Gott! Liebe Mitmenschen: Wer immer euch mit was auch immer ein Ohr abkaut, bitte sagt ihnen niemals, sie mögen es ihrem Friseur erzählen. Auch Friseure und deren Kunden haben eine Menschenwürde, die es zu schützen gilt. Danke.